Es ist Dienstag, der 05. Juli, 16.15 Uhr. Ich sitze auf einer Picknickdecke inmitten des Kita-Spielplatzes. Viele bunte Picknickdecken liegen drumherum. Zu jeder Decke gehört ein Kind samt Eltern. Es ist ein buntes Treiben, die Stimmung ist gut, aber tatsächlich verbergen sich in etlichen Taschen vorsorglich auch Taschentücher, falls es emotional werden sollte. Denn es ist ein besonderes Ereignis, welches an diesem Tag stattfindet:
Kindergarten-Abschiedsfest. Die Kindergartenkinder werden verabschiedet, die Kindergartenzeit ist abgeschlossen. Mein Sohn ist dabei. Ein Abschied, der mit schönen Erinnerungen und viel Vorfreude auf die Schulzeit verbunden ist, der aber durchaus aufgrund seiner Endgültigkeit Tränen entlocken kann.
Jeder Abschied ist ein Loslassen.
Loslassen bedeutet, dass etwas oder auch jemand freigelassen wird oder auch „nicht mehr festgehalten“ wird. Ich finde, wenn man sich diese Bedeutung mal langsam auf der Zunge zergehen lässt, dann entstehen viele Einfälle hierzu:
Loslassen, nicht mehr festhalten, abschließen oder auch verabschieden gehören zu jeder Lebensreise einfach dazu. Das muss aber keineswegs tragisch sein. Denn:
Loslassen bedeutet auch, Freiraum zu schaffen für Neues.
Wo losgelassen wird, entsteht jedes Mal auch etwas Großartiges: Freiraum, neue Möglichkeiten, ein Neubeginn. Soviel zum Großen und Ganzen. Wie ist es in der Schule?
Auch im Jahresrhythmus eines Schuljahres gibt es viele kleine und große Momente des Loslassens. Diese sind in den meisten Fällen alltäglich und nicht sonderlich bedeutsam, wie im genannten Beispiel des Kindergartenabschieds. Im Schulalltag stellen Momente des Loslassens oftmals eher eine Form von Ritual dar:
So werden Themen, die über Wochen bearbeitet wurden, abgeschlossen und losgelassen. Oder - ganz pragmatisch - werden Stifte zu Pausenbeginn losgelassen, um die Pause einzuläuten. Loslassen impliziert also zweierlei, nämlich dass etwas abgeschlossen ist und etwas Neues kommen kann. Aber was ist dazwischen?
Übergänge!
Heutzutage sind Wechsel zwischen Loslassen, Abschließen und Neubeginnen meist sehr schnell, beinahe flüchtig. Man „rauscht“ so durch. Es fehlen oftmals Zeit und Muße, um in Ruhe und bewusst vom Einen in das Andere hineinzugleiten. Die Übergänge fehlen schlichtweg. Für mein Empfinden betrifft das alle Lebensbereiche. Ich finde ein Nachdenken darüber sehr lohnenswert. Denn Übergänge sind wertvolle Lebensbegleiter und helfen, körperlich, mental und auch emotional mit mehr Stabilität in und durch Situationen zu gehen. Ob beim Sport, auf der Arbeit oder auch in der Schule.
Übergänge in der Schule, wie geht das?
Wir Lehrerinnen erleben es zu Beginn einer jeden Schulstunde und zu Beginn jeden Schuljahres immer wieder neu, wie wichtig es ist, Kinder ankommen zu lassen. Sie brauchen einen Moment, um in die neue Stunde oder neue Situation hinein zu finden. Zugegeben, nicht immer klappen Übergänge optimal, manchmal hakt es noch individuell an einer Stelle. Dann ist Gelassenheit gefragt. Letztlich geht es für alle Beteiligten immer darum, gut in neue Situationen hineinzukommen, um wirklich „da“ zu sein und um „aus dem Vollen schöpfen zu können“. Das gilt für den Übergang von der Kita zur Grundschule wie für alle anderen kleinen und großen Übergänge. Und sie sind gar nicht immer so leicht.
Ich habe einen Trick, der letztlich in jeder Lebenssituation und für alle großen und kleinen Menschen sehr hilfreich sein kann. Dieser Trick ist banal, aber wirkungsvoll:
Augen schließen und einen Moment innehalten.
Manchmal bedarf es etwas Übung, aber Kinder mögen sowas sehr. Es lässt sie Ruhe finden, in der Gegenwärtigkeit des Moments landen, Ankommen oder auch Loslassen. Diese Technik ist eine Achtsamkeitsübung und die bewusste Gestaltung eines Übergangs. Sie hilft, Altes loszulassen, bereit zu sein für Neues.
Und so sitze ich also auf der Picknickdecke und halte das Taschentuch in der Hand. Mein Sohn singt gemeinsam mit den anderen Kindern „Wir sagen jetzt Auf Wiedersehen“. Jetzt ist er also da, dieser Moment des Loslassens. Er fällt mir schwer und das Tuch in meiner Hand ist mein Anker. Ich schließe die Augen und halte inne. Konzentriere mich genau auf das, was jetzt ist. Ja, es ist ein Abschied... und ja, es ist der Übergang zu einem besonderen Neubeginn. Und plötzlich ist auch Freude da. Ich bin bereit, mein Sohn auch.
Und JETZT.
JETZT - am Ende des Schuljahres und des Kindergartenjahres - ist die Zeit, bewusst diese Übergänge zu all den besonderen Neubeginnen zu gestalten. Jetzt können, müssen oder dürfen wir LOSLASSEN, uns verabschieden, uns auf NEUES freuen.
Wie wunderbar, dass die Ferien uns Zeit schenken, um genau das zu tun: Altes loslassen, uns auf Neues freuen und diesen Übergang mit ganz viel Ruhe, Gelassenheit, „Seele baumeln“-lassen und Spaß-haben gestalten zu können.
In diesem Sinne: einen schönen Übergang:
ob vom Kindergarten zu uns in die Schule,
von unserer Schule an eine neue Schule,
von einem ins nächste Schuljahr
oder was auch immer an Neuem darauf wartet, erobert zu werden ...
Ach ja, und gaaaaaanz wichtig: SCHÖNE FERIEN!
Es grüßt herzlich im Namen des ganzen Boni-Teams,
Katharina Korves