Es ist der 6. Dezember 2022, 5.40 Uhr. Der Wecker klingelt und ich überlege nicht lange, ob ich mich noch mal umdrehen soll oder nicht. Manchmal ist zu viel und zu lange Nachdenken hinderlich. So wie jetzt. Ich stehe also auf.
Heute fällt es mir sehr leicht, so früh aufzustehen. Auf leisen Sohlen schleiche ich die Treppe runter und versuche meinem Hund Rudi gestikulierend verständlich zu machen, dass seine Begrüßung nicht so lautstark ausfallen darf. Es sieht sicherlich sehr lustig aus, wie ich da so rumhample. Rudi guckt verwirrt. Aber er versteht. Puuuh. Ich lausche. Alle schlafen noch.
Ich liebe diese ruhigen Morgen. Sie tragen diesen ganz besonderen Zauber inne. Die Welt um mich herum scheint noch zu schlafen, alles ist friedlich, ursprünglich, still.
Frieden. Ruhe.
Ich mache die Lichterkette am Adventskalender an und gleich auch ein paar Kerzen. Dieses Ritual mit den Kerzen liebe ich ehrlich gesagt nicht nur in der Adventszeit. Ich mag es das ganze Jahr. Denn jeder Morgen, ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter, hat einen Zauber, den es zu entdecken gilt. Ein Gefühl von Geborgenheit, Erneuerung, innerer Ruhe und auch Freude auf den Tag stellt sich so viel leichter ein. Ich finde es schön, jeden Tag bewusst zu begrüßen.
In der Schule ist die Begrüßung ebenfalls ein ganz wichtiges Ritual. In jeder Klasse gibt es diesen besonderen klasseneigenen „Code“, um in die Stunde zu starten. Jede Klasse findet eine eigene Form, mal laut, leise, auf Englisch, mit oder ohne Bewegung. Eine Begrüßung ist wahrlich eine zauberhafte Sache. So unscheinbar sie auch daher kommt.
Die kleinen Momente zu würdigen, macht am Ende des Tages einen großen Unterschied. Ich begrüße also diesen 6.Dezember 2022, mit Lichtern und früh aufstehen und Augen schließen und inne halten. Kleinigkeiten.
Heute Morgen. Jetzt.
Ich gehe in den Hausflur, zwei Stiefel stehen dort, geputzt, aber die Spuren vom letzten Sprung in die Matsche sind noch gut erkennbar.
Kindheit darf Spuren hinterlassen. Gut, wenn es so ist!
Spuren sind Zeitzeugen von Erlebnissen, Erfahrungen, Erkundungen.
Aktuell wird bei uns in der Schule fleißig gebacken. Auch dies ist fester Bestandteil der vorweihnachtlichen kleinen Rituale. Jede Klasse kommt in den Genuss, eigene Plätzchen zu backen und zu verzieren. Dass dies mit einer Menge Mehlstaub und klebrigem Zuckerguss verbunden ist, liegt auf der Hand. Ich finde es ehrlich gesagt zauberhaft, wenn die Kinder die Spuren dieses Erlebnisses auf ihren Backschürzen oder ihrer Kleidung sammeln. Ist es doch ein Zeichen, dass dieses Kind den Moment voll und ganz „aufgenommen“ hat.
Kindheit darf Spuren hinterlassen. Unbedingt sogar. Schaffen wir also möglichst viele Gelegenheiten dazu. Ob mit Matsche oder Plätzchenteig oder, oder, oder.
Ein bisschen saubere und ein bisschen dreckige Stiefel.
Natürlich sind die Stiefel in meinem Flur gefüllt. Der Nikolaus war da. Ich schließe die Augen und fühle es, diese Spannung, diese Freude. Ich weiß noch genau, wie es war, als ich sieben, acht, neun war. Die Erinnerung daran ist wie ein Schatz. Aus meinen damaligen kleinen Freuden ist ein großer Schatz geworden.
Das motiviert. Ich weiß, wie wertvoll es ist, großen Ereignissen, aber auch kleinen Ereignissen, Würdigung zuteil werden zu lassen. Kleinigkeiten tragen so einen großen Zauber inne.
So wie damals, als ich in der zweiten Klasse auf meinem kleinen Stuhl inmitten meiner Klasse in Altenlingen saß und meine Klassenleherin Frau Vochs mir und meiner Klasse in der Adventszeit jeden Tag etwas vorlas. Ich rieche noch die roten dicken Kerzen und das Tannengrün des Adventskranzes auf dem Lehrerpult, ich sehe noch die gebastelten Glanzsterne an den Fenstern, ich höre noch die Stimme meiner Lehrerin. Ein kurzer Moment damals, vielleicht eine Kleinigkeit. Jedoch: eine tiefe und wertvolle Erinnerung bis heute. Ehrlich gesagt war dieses Erlebnis ein entscheidender Grund, selbst Grundschullehrerin zu werden.
Jeder kleine Moment trägt einen großen Zauber inne. Wenn wir genau hinschauen.
Es ist der 6. Dezember 2022. Ich stehe im Hausflur und freue mich über diesen Morgen, diese Lichter, diese Stiefel und „den Nikolaus“.
Ich höre ein Geräusch. Es tapst. Rudi? Nein. Mein kleiner Sohn tapst die Treppe runter. Ich erkenne es am Tapsen. Eine Kleinigkeit. Stille. Dann steht er neben mir. Es ist früh. Seine Augen leuchten für eine kleinen Moment ganz besonders. Ein magischer Moment. Kurz und klein und magisch. Der Nikolaus war da.
Genieße die kleinen Momente im Leben.
Denn irgendwann wirst du erkennen,
dass sie die großen Momente waren.
(Kurt Vonnegut)
Ich wünsche allen Bonikids und ihren Eltern – gerade jetzt, in dieser zauberhaften Zeit am Jahresende – möglichst viele Kleinigkeiten!
Es grüßt von Herzen, im Namen des ganzen Boniteams,
Katharina Korves